wheelymum – Eltern mit Behinderung meets Familienleben
Mit ihrem Blog wheelymum verbindet Betreiberin Ju Hahn zwei unterschiedliche Bloggerwelten: die des Inklusions- und Behinderten-Bereichs mit der Welt der Elternblogger. Persönlich und gleichzeitig sehr offen berichtet sie aus dem Alltag einer Mutter mit chronischer Erkrankung. Auf ihrem Blog finden sich unterschiedliche Artikel aus den Bereichen Behinderung, Leben mit Behinderung, aber auch zu politischen Themen wie dem Bundesteilhabegesetz oder dem Umgang mit Behörden. Ebenso bietet Ju Hahn einen Einblick in eigene Erfahrungen und in das pralle Leben mit Kindern – ob Kindsentwicklung, Spielideen, Wochenenden in Bildern oder Rezepte. In der Reihe Eltern mit Behinderung werden außerdem fast wöchentlich interessante Gastartikel veröffentlicht.
Ju Hahn* ist im Jahr 2008 an einer seltenen neurologischen Krankheit erkrankt und seit 2010 auf den Rollstuhl angewiesen. Im Jahr 2013 wurde sie trotz alledem zur stolzen Mutter.
Mit wheelymum möchte Ju Hahn auf Eltern mit Behinderung aufmerksam machen und auch gesunde Menschen für die Thematik sensibilisieren. Dabei scheut sie sich nicht, auch Tabu-Themen anzusprechen.
Der Treppenlift-Ratgeber.de sprach mit Ju Hahn zu ihrem Blog und ihren Erfahrungen als Mutter mit Handicap.
Treppenlift-Ratgeber: Welche Gründe haben Sie dazu veranlasst, den Blog Wheelymum ins Leben zu rufen?
Ju Hahn: Es gab mehrere Gründe. Zum einen habe ich mich vor allem in der Schwangerschaft sehr alleine gefühlt. Mir fehlte der Austausch mit anderen Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren. Egal ob meine Ärzte, meine Hebamme oder in meinem Freundeskreis: Niemand kannte eine Frau mit Behinderung, die Mama wurde. Ich war mir zwar sicher, dass ich nicht allein bin. Aber auch im Internet fand ich kaum Austauschmöglichkeiten. Das wollte ich ändern. Seit ich Mama bin, habe ich festgestellt, dass es (bei uns auf dem Land) kaum barrierefreie Elemente gibt. Spielplätze sind beispielsweise mit viel zu hohen Bordsteinkanten oder ohne Umgebungsschutz angelegt, Eltern-Kind-Gruppen in Räumen im ersten Stock usw.
Unsere Gesellschaft ist nicht vorbereitet auf behinderte Eltern. Ich bekam immer mehr den Eindruck, wir werden nicht gesehen. Dem wollte ich entgegenwirken und habe aus diesem Grund das Blog wheelymum gegründet.
Treppenlift-Ratgeber: Welche Botschaft möchten Sie mit Ihrem Blog transportieren?
Ju Hahn: Die Botschaft ist: Wir sind da – Bitte seht uns!
Im Konkreten bedeutet dies, dass ich eine Elternschaft mit Behinderung öffentlich machen möchte. Ich möchte anderen Eltern mit Behinderungen eine Möglichkeit zum Austausch bieten, gesunden Eltern zeigen, dass sie keine „Angst“ vor uns haben müssen, Fragen beantworten und Vorurteile abbauen. Gleichzeitig zeige ich unseren Alltag. Bei uns läuft vieles genauso ab, wie in anderen Familien. Manches anders oder wir müssen andere Lösungen finden. Auch auf Missstände mache ich aufmerksam, auf Dinge, an die ein gesunder Mensch nicht denkt, weil ihm der Bezug dazu fehlt. Es ist normal verschieden zu sein und genau das sollten wir wertschätzen und voneinander lernen.
Treppenlift-Ratgeber: Sie sitzen selbst im Rollstuhl. Wie gehen Sie persönlich und als Mutter damit um?
Ju Hahn: Dass ich im Rollstuhl sitze, ist einfach Fakt. Ich sehe den Rollstuhl als das, was er ist: Ein Hilfsmittel, das mir hilft, meinen Alltag zu bewältigen und welches mir die Möglichkeit bietet, das Haus zu verlassen. Ohne ihn, wäre das alles nicht möglich. So gehört der Rollstuhl für mich als Mama und für meinen Sohn einfach dazu. Ohne ihn geht es nicht. Es ist nicht alles Gold, was glänzt – so ein bekanntes Sprichwort. Ich sitze nicht nur im Rollstuhl, ich bin chronisch krank und habe durch diese Krankheit gute und schlechte Tage. Mich damit abzufinden und das zu akzeptieren, ist an manchen Tagen wesentlich schwieriger für mich. Auch und gerade als Mama.
Vor der Geburt meines Sohnes habe ich mir viele Gedanken gemacht, wie das wohl so sein wird mit Baby und Rollstuhl. Wir haben für jede Situation eine eigene Lösung gefunden und es hat gut funktioniert. Welche Herausforderungen sich stellen, ob und wie wir diese als Familie lösen können, was in der Mutterschaft ganz genauso ist wie bei anderen Eltern, usw. – genau im diese Fragen geht es im Blog. Immer und immer wieder aufs Neue.
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Treppenlift-Ratgeber: Wie nehmen Sie den Umgang mit Behinderung in der Gesellschaft wahr? Was kann Ihrer Meinung nach noch getan werden, um eine gelungene Integration zu ermöglichen?
Ju Hahn: Das ist eine sehr gute Frage, denn ich denke, dass sie sehr von den persönlichen Umständen abhängt. Ich lebe auf dem Dorf, hier kennt mich jeder und es ist ok. Sobald ich in die kleine Stadt komme, werde ich angeschaut und „begafft“. Ja, leider ist das immer noch so. In Großstädten kann das anders sein. Aber hierzu fehlen mir die Erfahrungswerte. Es hat sich viel getan in Deutschland und dennoch muss sich noch sehr viel mehr ändern. Es gibt diese Hemmschwelle, die Menschen dazu verleitet, andere anzustarren, anstatt sie anzusprechen. Hier sehe ich gerade bei Kindern die Chance, dies zu ändern und die kindliche Offenheit zu nutzen.
Aber es gibt so viele Punkte, in denen andere Länder viel weiter sind als Deutschland: Hohe Bordsteinkanten, öffentliche Gebäude, die nicht barrierefrei sind, das Café um die Ecke, in das man nicht hineinkommt, Bürokratie, welche Hilfen z.B. für Eltern mit Behinderungen verbietet, oder der Zahnarztbesuch, der zum Horrorakt wird.
Integration ist so ein großes Wort. Manchmal habe ich das Gefühl, es schreckt die Menschen um uns herum ab. Wenn wir alle erkennen, dass jeder seine Stärken und Schwächen hat und wir keine Angst vor anderen Menschen haben müssen, dann, ja dann, kann Integration gelingen. Ich denke, dass es wirklich wichtig ist, Menschen, ganz egal wie sie sind, nicht immer nur als Kostenfaktor zu sehen und ihnen dann ihre Träume wegen zu hoher Kosten auszureden. Wir sollten vielmehr die Ressourcen der einzelnen Menschen sehen und diese unterstützen.
Treppenlift-Ratgeber: Welche Tipps und Erfahrungswerte können Sie Eltern mit Behinderung mit auf den Weg geben?
Ju Hahn: Traut euch! Lasst euch von nichts und niemandem etwas ein- oder ausreden. Kämpft für euch, für eure Rechte und für eure Kinder. Denn ganz egal, was vermeintliche Fachpersonen sagen, das Recht auf Elternschaft ist im Grundgesetz verankert. Ich meine das aber nicht nur politisch, sondern auch emotional. Die Liebe zu einem Kind ist mit nichts zu vergleichen und niemand hat das Recht, euch dies abzusprechen. Lasst euch nicht ermutigen und vernetzt euch, tauscht euch aus und der Rest findet sich.
Treppenlift-Ratgeber: Frau Hahn, wir bedanken uns herzlich für das interessante Interview.
Den Blog wheelymum mit vielen authentischen Berichten zur Thematik sowie vertiefenden Artikeln zu im Interview angesprochenen Fragestellungen finden Sie unter:
*Urheber des Bildes "wheelymum": Andi Weiland
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