Experteninterview mit Dr. Rüdiger Leidner von der NatKo

Dr. Rüdiger Leidner ist ehrenamtlich Vorsitzender von "Tourismus für Alle Deutschland e.V. (NatKo)" und Tourismusbeauftragter des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V.

Der Treppenlift-Ratgeber.de sprach mit dem Vorsitzenden der NatKo, Dr. Rüdiger Leidner, über seine Erfahrungswerte in Bezug auf barrierefreies Reisen.

Das Inteview mit Dr. Reudiger Leidner

Treppenlift-Ratgeber: Als Vorsitzender der NatKo kümmern Sie sich um die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap. Was sind Ihre Kernaufgaben in diesem Bereich?

Herr Dr. Leidner: Die NatKo, ein Zusammenschluss von zehn bundesweit aktiven Behindertenverbänden, hat zum Ziel, die Teilnahme von Menschen mit Behinderung am Tourismus zu ermöglichen, indem Entscheidungsträger in Tourismuspolitik und -wirtschaft für die Belange von Reisenden mit Behinderungen sensibilisiert werden. 

Treppenlift-Ratgeber: Was macht das Amt als „Vorsitzender der Natko“ so spannend?

Herr Dr. Leidner: Wer die Welt verändern will, sollte immer zunächst bei sich selbst anfangen. Im Fall des barrierefreien Tourismus heißt das u. a., dass sich die verschiedenen Behindertenverbände gemeinsame Lösungsvorschläge erarbeiten müssen, mit denen sie auf Tourismuswirtschaft und -politik zugehen wollen. An dieser Meinungsbildung mitzuwirken, ist interessant und wichtig, die Lösungsvorschläge in Argumente übersetzen, die die Entscheidungsträger in Tourismuswirtschaft und -politik überzeugen, jedes Mal  regelrecht spannend.



Treppenlift-Ratgeber: Mit welchen Anfragen zum Thema „barrierefreier Tourismus“ werden Sie am häufigsten konfrontiert – bzw. wo besteht der größte Beratungsbedarf?

Herr Dr. Leidner: Den Beratungsbedarf seitens der Anbieter zeigt die eindrucksvolle Liste der Projekte, durch die sich die NatKo finanziert. Ich kann nur einige Beispiele nennen wie das EU-Projekt "Schwarzwald barrierefrei" oder der barrierefreie Rundweg "Wilder Kermeter" in der Eifel. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder Anfragen behinderter Reisender nach geeigneten Angeboten.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Ihrer Meinung nach noch viel Optimierungspotenzial in Deutschland oder sind wir bereits auf dem Vormarsch was barrierefreies Denken betrifft?

Zitat Dr. Rüdiger Leidner:

„Ob ein Urlaubsziel "besonders gut" ist, hängt letztlich von den individuellen Urlaubswünschen ab. Hinzu kommt dann, ob unter den Urlaubszielen, die dann in Frage kommen, sich eines befindet, das unter Berücksichtigung der jeweiligen Behinderung besonders gut geeignet und auch bezahlbar ist.“

Herr Dr. Leidner: Es gibt nicht nur Optimierungsbedarf, sondern noch sehr große Entwicklungspotentiale. Dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern auf dem Vormarsch ist, kann ich nicht sagen. Die 2010 in der EU in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention hat, wie ich bei Besuchen in unseren Nachbarländern feststellen konnte, große Impulse in Richtung Barrierefreiheit ausgelöst. In Österreich tritt in Kürze sogar ein Gesetz in Kraft, demzufolge behinderte Reisende Schadensersatzansprüche einklagen können, wenn ein Hotel oder Restaurant keine barrierefreien Vorrichtungen hat.

Treppenlift-Ratgeber: Worauf sollte man bei der barrierefreien Reiseplanung achten, um Komplikationen möglichst zu vermeiden? Und wann fängt man am besten mit der Reiseplanung an?

Herr Dr. Leidner: Eines der ganz großen Probleme für behinderte Reisende ist die unzureichende Information über die Barrierefreiheit der Angebote. Die NatKo arbeitet zusammen mit dem Deutschen Seminar für Tourismus, gefördert durch das Bundeswirtschaftsministerium, an einem System zur einheitlichen und verlässlichen Kennzeichnung barrierefreier touristischer Angebote.

Es dürfte aber noch zwei oder drei Jahre dauern, bis dieses System so umgesetzt ist, dass es behinderten Reisenden als Informationsquelle bei der Reiseplanung dient. Bis dahin sind behinderte Reisende darauf angewiesen, die für sie wichtigen Informationen mühsam selbst zusammenzusuchen, z. B. im Reisebüro oder im Kontakt mit dem Hotelier.

Tipps von Dr. Rüdiger Leidner:

  • Tourismus für Alle Deutschland e.V. hat das Ziel Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Tourismus zu ermöglichen.
  • Für Schwerbehinderte gibt es Förderungen bei Bahn- und Flugreisen.
  • Fluggesellschaften bieten sehr unterschiedliche Vergünstigungen an, weshalb man sich bei mehreren Anbietern informieren sollte.
  • Mindestanmeldefristen für die Anforderung von Assistenz bei Reisen sollten beachtet werden.
  • Tourismus für Alle Deutschland e.V. hat das Ziel Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Tourismus zu ermöglichen.

 

Treppenlift-Ratgeber: Zu welcher Reiseform (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug …) würden Sie Senioren oder Menschen mit Handicap raten? Und warum?

Herr Dr. Leidner: Das kann ich so pauschal nicht sagen. Das kommt auch ganz auf die Art der Behinderung sowie das Reiseziel an. Wenn jemand "Urlaub auf dem Lande" machen will, der nächstgelegene Bahnhof aber weder barrierefrei ist noch Mobilitätsservice bietet, dann muss entweder das Reiseziel geändert oder auf ein anderes Verkehrsmittel als die Bahn ausgewichen werden.

Treppenlift-Ratgeber: Haben Sie drei Empfehlungen für besonders gute, barrierefreie Urlaubsziele? Und warum genau diese?

Herr Dr. Leidner: Auch das kann ich in dieser Form nicht sagen. Ob ein Urlaubsziel "besonders gut" ist, hängt letztlich von den individuellen Urlaubswünschen ab. Hinzu kommt dann, ob unter den Urlaubszielen, die dann in Frage kommen, sich eines befindet, das unter Berücksichtigung der jeweiligen Behinderung besonders gut geeignet und auch bezahlbar ist.

Wir sind leider noch meilenweit davon entfernt, dass sich ein behinderter Reisender seine Urlaubsziele nach seinen Freizeitwünschen und dem Preis aussuchen und davon ausgehen kann, dass sich unter den Angeboten immer auch eines befindet, das für die jeweilige Behinderung geeignet ist.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Förderungsmöglichkeiten, Zuschüsse oder besondere Vergünstigungen für reisende Senioren und Menschen mit Einschränkungen?

Herr Dr. Leidner: Es gibt vielfach Vergünstigungen bei der Beförderung durch die Bahnen in Deutschland sowie - zumindest für Schwerbehinderte - im Fernbusreiseverkehr. Im Flugverkehr bieten die Fluggesellschaften bei Flügen innerhalb Deutschlands sehr unterschiedliche Vergünstigungen an, die daher jeweils bei der Fluggesellschaft erfragt werden müssen. Weitere Vergünstigungen, außer bei den Eintrittspreisen zu manchen Veranstaltungen, sind mir nicht bekannt.

Treppenlift-Ratgeber: Welche grundlegenden Tipps würden Sie Senioren und Menschen mit Handicap bei der Reiseplanung gerne mit auf den Weg geben?

Herr Dr. Leidner: Es muss sehr gründlich geklärt werden, ob die Reise mit dem gewählten Beförderungsmittel durchgeführt werden kann. Wenn während Hin- und Rückfahrt Assistenzbedarf angefordert wird, sind sowohl bei den Fluggesellschaften als auch den Bahnen Mindestanmeldefristen zu beachten. Darüber hinaus muss geklärt werden - möglichst schriftlich - ob das gewählte Hotel über die notwendigen Vorrichtungen und Räumlichkeiten verfügt.

Treppenlift-Ratgeber: Herr Dr. Leidner, vielen Dank für das interessante Interview!

Gut zu wissen

Menschen mit einer Behinderung haben Anrechte auf bestimmte Leistungen wie etwa Zuschüsse zum barrierefreien Umbau.

Zu den Zuschüssen 

 

Das könnte Sie auch interessieren

Interview mit Yvo Escales

Dipl. Betriebswirt im Bereich Touristik über barrierefreies Reisen

Zum Interview

Fit im Alter

Geistiges und körperliches Training hält Sie bis ins hohe Alter fit!

So bleiben Sie fit im Alter

Checkliste zur Reiseplanung

Darauf ist beim barrierefreien Reisen zu achten.

Zur Checkliste